Stefan's Retro
Mit Stefan's Retro möchte ich modellfliegrisches Kulturgut erhalten, pflegen, restaurieren, fliegen, präsentieren und in die moderne Zeit mitnehmen. Deshalb will Stefan’s Retro auch so etwas wie ein elektronisches Museum sein, um die Emotionen, welche in uns Balsaholz, Weissleim, Seide und der Geruch von Spannlack auslöst, zu transportieren und erlebbar zu machen. Wenn es mir gelingt, dies mit den Spuren und mit den tiefen Gedanken von Richard Bach zu verbinden, habe ich mein Ziel erreicht. Kennst Du Richard Bach?
Der Begriff «Retro» ist nicht ganz richtig. Auch nicht ganz falsch. Der wirklich passende und allgemein verstandene Begriff für mein faszinierendes halbantikes Flug-Zeugs fehlt halt. Die meisten meiner Modelle sind Originale aus einer längst vergangenen Zeit. Sie haben eine schöne Patina und erzählen nonverbal tausend Geschichten. Kulturgut erhalten kann auch heissen, Nachbauten nach originalen Bauplänen zu bauen und zu fliegen. Dann gibt es die Retro-Bausätze, welche sich an originalen Modellen aus früheren Zeiten orientieren und bei denen sogar die Schachteln dem früheren Originalbauksten nachempfunden sind. In den Schachteln befindet sich gelaserte Holzteile, welche einen schönen Replika-Nachbau irgend eines legendären Modells, welches auch mich in meinem jungen Jahren fasziniert hat, entstehen lassen. Auch das ist für mich in Ordnung. Ein gutes Beispiel ist für mich der Retro Day des Modellflugverein Pfäffikon ZH, welcher sich längst als alljährigen Anlass im Juli etabliert hat. Dort sind sehr schöne Originale von F3A und RC1 Modellen, Nachbauten nach Original-Bauplänen und Replikas, die aus Retro-Bausätzen entstanden sind, im geselligen Einklang zu sehen.
Grosse Entwicklungsschritte von 1965 bis 1985
Die Welt von Stefan's Retro spielt sich ungefähr in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts ab. Mehrheitlich in den 1965er bis 1985er Jahren. In diesen 20 Jahren haben die grössten Entwicklungsschritte der Modellfluggeschichte stattgefunden.
Eindrücklich dokumentiert wird diese Entwicklung mit meinen beiden Segelflugmodellen «Weisiwas» und «GW 85». Zwischen diesen beiden Modellen liegen nur rund 20 Jahre. Der «Weisiwas» wurde um 1965 als Unikat komplett in Holz gebaut und mit Papier bespannt. Mit seiner Spannweite von 370 cm, der beachtlichen Streckung von 23 und seiner schlanken und für seine Zeit aerodynamisch guten Formgebung war er sehr modern und wegweisend. Auffallend ist das durchgehende Flügelmittelstück mit den ansteckbaren Aussenflügeln, was dem Modell konstruktive Vorteile bezüglich Statik und geringem Gewicht verschaffte.
Der Voll-GFK-Segler «GW 85» wurde um 1985 gebaut. Er erinnert an die excellente und präzise Art, wie der damals bekannte österreichische F3B-Pilot Karl Wasner jr. seine Wettbewerbs-Modelle baute. Er dokumentiert eindrücklich, wie hochstehend die Fertigung von Voll-GFK-Modellen damals schon war. Hohe Festikeit, sehr glatte Oberflächen, 200 cm Spannweite und schon das damals noch sehr neue Profil RG-15 von Rolf Girsberger. Das Modell «GW 85» ist auch heute noch hochmodern, auch wenn es bereits 40 Jahre alt ist.
Geprägt von der Entwicklung der Wettbewerbskategorie F3B
Diese enorme Entwicklung innerhalb von rund 20 Jahren ist zu einem grossen Teil auf die Wettbewerbskategorie F3B zurückzuführen. Also auf Ferngesteuerte Segelflugmodelle unter Wettkampfbedingungen. Im Jahre 1973 wurde von den Italienern ein Wettbewerbsmodus vorgeschlagen, bei dem Zeit, Strecke und Geschwindigkeit als drei Aufgaben geflogen werden sollten. 1974 wurde dieser Vorschlag von der FAI in das internationale Wettbewerbsregelwerk den »Code Sportif« (franz.) oder (engl.). »Sporting Code« übernommen.
Wir können dementsprechend das Jahr 1974 als das Geburtsjahr der modernen F3B-Wettbewerbsfliegerei für ferngesteuerte Segelflugmodelle bezeichnen. Spannend, und für die Entwicklung der Modellfliegerei vermutlich entscheidend, war der Umstand, dass dieselben Modelle in den Wettbewerben in drei sich widersprechenden Disziplinen antreten mussten. Für den Dauerflug, den Distanzflug und den Speedflug bestanden ganz unterschiedliche Voraussetzungen an die Modelle, die alle erfüllt sein mussten. Der Innovationsschub war programmiert.
Im Jahre 1977, als die ersten F3B-Weltmeisterschaften in Pretoria, Südafrika, stattfanden, reisten die Teilnehmer fast ausschließlich mit ihren um zwei Achsen gesteuerten Thermikmodellen an. Von den drei Teilnehmern der Schweizer Nationalmannschaft flog einer mit einem Windspiel von Rowan (Konstruktion Detlev Draheim), einer mit einem Hobie Hawk und der dritte mit einem Brillant V von Manfred Derschug.
Bereits zwei Jahre später, an der WM 1979 in Amay, Frankreich, erschien dann die Innsbrucker Gruppe um Fridolin Fritz mit ihren ganz in Formen aus glasfaserverstärktem Epoxydharz gebauten Modellen DASSEL (Konstruktion Anton Wackerle), um – damals wusste man das noch nicht – den Wettbewerbsmodellbau zu revolutionieren.
Die DASSEL war die konsequente Weiterentwicklung des Geschwindigkeitsweltrekord-Modells PFEIL der Innsbrucker Gruppe, mit dem Werner Sitar einen sensationellen Weltrekord mit fast 400 km/h geflogen hat.
Viele Modellbauer fürchteten damals zwar, dass der Formenaufwand, den einige trieben, die F3B-Klasse umbringen würde, da die meisten Modellflieger nicht bereit seien, einen solchen Aufwand zu treiben. Die Vertreter dieser Meinung hatten nicht Recht. Zum einen ist mittlerweile bewiesen worden, dass auch konventionelle Modelle zu Höchstleistungen fähig waren, und zum anderen ist mittlerweile den meisten klar, dass schon nach dem Bau von drei oder vier Modellen sich eine Form »bezahlt« gemacht hat. Dementsprechend sind heute auf nationalen und internationalen F3B-Wettbewerben 100% aller Modelle aus faserverstärkten Kunststoffen und in Formen gebaut.
1981, bei den dritten Weltmeisterschaften in Sacramento, USA, war es etwas anderes, was die Gemüter der Beteiligten und des Fachpublikums erhitzte. Dass der Kunststoff in die Wettbewerbsszene eingezogen war, demonstrierten die Deutschen OPTIMA, STRATOS, die Schweizer SPARTAKUS sowie die Kanadier mit ihren Kevlar-Modellen FMF.
Das Gesprächsthema Nr. 1 waren die Wölbklappenprofile von Dr. Helmut Quabeck. Dass letztendlich kein HQ-Profil gewonnen hat, lag am großen Pech von Werner Vauth, der praktisch bei seinem letzten Flug, einem Zeitflug, seinen schon sicher geglaubten Weltmeistertitel an den Amerikaner Dwight Holley abgeben musste. Dass den Wölbklappenprofilen die Zukunft gehörte, war jedoch klar zu sehen, hatte doch auch der GOBBLER, das Siegermodell von Dwight Holley, USA, einen Wölbklappenflügel.
Wenn bis jetzt die Eppler-Profile die F3B-Szene beherrscht hatten, so sah man in den kommenden Jahren fast nur noch die Wölbklappenprofile von Dr. Helmut Quabeck.
Beim SPARTAKUS des Schweizers Ruedi Binkert wurde per Fernsteuerung die Schwerpunktlage der Fluggeschwindigkeit angepasst. Das hat den Vorteil, dass das Höhenleitwerk immer nur so viel Stabilität zu liefern hat, wie für die gerade anliegende Fluggeschwindigkeit notwendig ist. Wir wissen, dass das Höhenleitwerk nur ein notwendiges Übel ist, das auf diesem Wege so klein wie möglich gehalten werden sollte. Die exakte Anpassung von Fluggeschwindigkeit und Schwerpunktlage schien jedoch in der Praxis nur schwer verwirklichbar, so dass auch die Leistungssteigerung des SPARTAKUS sich doch als ziemliche Zufälligkeit darstellte. Neben dem variablen Schwerpunkt war die überragend saubere Bauausführung und Präzision augenfällig. Der SPARTAKUS benutzte übrigens ein geteiltes Seitenruder, das, nach links und rechts ausgeschlagen, als Landehilfe diente.
Die nächste Weltmeisterschaft, es war nun schon die vierte, fand 1983 in York, England, statt. Alle Teams hatten seit der letzten Weltmeisterschaft in Sacramento ihre Lektion gelernt. Noch nie gab es auf einer Weltmeisterschaft so viel Neues zu sehen, und noch nie war der allgemeine Leistungssprung so stark zu spüren wie in York.
Den dritten Platz belegte Karl Wasner jun. mit seinem völlig neuen Modell QUASAR. Der QUASAR war eine Gemeinschaftsentwicklung von Karl Wasner, Österreich, dem ehemaligen Spartakus-Mitglied Ruedi Binkert, Schweiz, und dem Veranstalter des Winterthurer RC-Segelflug-Seminars Hans Dürst, Schweiz.
Bauweise und Präzision der Bauausführung erinnerten an den SPARTAKUS. Die Modellgeometrie war, so wie bei Wasners vorangegangenem Modell Sirius, konventionell zu nennen. Der Rumpf war ähnlich dem des NO NAME von Rolf Decker mit Nasenkonus statt Haube ausgeführt, alle Übergänge waren sauber und die Spalte minimiert. Alle Modellteile waren in Negativformen gebaut und, wie man es von Karl Wasner seit dem Sirius kannte, von höchster Präzision und Sauberkeit. Als Stützstoff für das Flächen- und Leitwerkssandwich wurde statt des weithin verwendeten Rohacell statt Balsaholz eingesetzt.Deutlichster Unterschied zu allen anderen Modellen war beim QUASAR jedoch das verwendete Girsberger RG 15-Profil. Rolf Girsberger hatte mit seiner Profilserie, unter Verwendung des von Prof. Eppler entwickelten Rechenprogramms, eine Reihe speziell auf die Belange der F3B-Modelle zugeschnittene Profile berechnet, auf deren zukünftiges Abschneiden man gespannt sein durfte. Das RG-15 war geboren und galt in den kommenden Jahren als das Mass der Dinge bei F3B-Modellen, wie auch bei vielen anderen Modellen.
Das nebenstehende Bild und das Bild unten zeigt Ruedi Binkert (Pilot) und Stefan Keller (Starthelfer) beim Start mit dem Quasar auf dem Modellflugplatz der MG-Hinwil im Bossiker Ried im Jahr 1989.
Diese rasante Entwicklung in der F3B-Fliegerei hatte und hat bis heute sehr grosse Auswirkungen auf die gesammte Entwicklung der Modellfliegerei und ihre verschiedenen Sparten.
Dies wird im Video des Schweizer Fernsehens aus dem Jahr 1990 über das F3B-Team Tarantula aus Luzern sehr eindrücklich dokumentiert.